Angststörungen und Depressionen. Wer sie kennt, leidet. Immer mehr junge Leute erliegen einer solchen Krankheit, die sie unfähig macht, ein gutes Leben zu führen. Medikamentöse Behandlung, klassische Psychotherapie und Klinikaufenthalte können hier viel Gutes bewirken. Wer allerdings nach Alternativen sucht kann hier fündig werden: in der Tiergestützten Therapie.
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier
In der modernen Psychotherapie hat das Tier einen bedeutenden Stellenwert eingenommen. Versierte Therapeut:innen nutzen diese sensible Verbindung zwischen Mensch und Tier zur Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Zwängen, aber auch Burnout oder einem Posttraumatischen Belastungssyndrom.
Tiergestützte Therapie bei AniMotion
In Sasbachwalden gibt es das Ani.Motion, ein Institut für tiergestützte Therapie, das seit 2006 von Bettina Mutschler und Dr. Rainer Wohlfarth geleitet wird. Während Rainer Wohlfarth als psychologischer Psychotherapeut arbeitet, hat Bettina Mutschler sich mit der Ausbildung von Hunden und – ganz speziell – Esel als Therapiehelfer befasst. Wir konnten die Experten für ein Interview gewinnen:
Interview mit Bettina Mutschler & Dr. Rainer Wohlfarth
natur&ich: Seit 2006 befasst ihr euch mit dem Thema Tiere in der Psychotherapie. Gab es dafür einen zündenden Augenblick oder hat sich das peu á peu entwickelt?
Beides. Wir waren zur Geburtstagfeier eines guten Freundes eingeladen. Doch statt fröhlicher Lieder und Partystimmung herrschte betretenes Schweigen – zwei Tage zuvor war er von seiner Ehefrau vor die Tür gesetzt worden. Doch mit einem Mal hellte sich sein Blick auf und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht: Unsere Hündin Ayla hatte ihren Kopf auf seine Knie gelegt und er streichelte sie sanft. Ganz intuitiv schien sie zu spüren, was für unseren Freund in seiner Situation sinnvoll und wichtig war.
Unsere Neugier war geweckt, die wichtigste unserer menschlichen Eigenschaften. Mit der Zeit sammelten wir unsere eigenen Erfahrungen. Bettina im täglichen Umgang mit Hunden und seit einigen Jahren mit Eseln, ich hingegen interessierte mich für das wissenschaftliche Fundament der Mensch-Tier-Beziehung. Beide trugen wir mit den Jahren einen großen Erfahrungsschatz darüber zusammen, wie man Tiere in Therapie und Coaching einsetzen kann. Zwischen uns ergab sich eine äußerst belebende Verbindung, die mehr ist, als das Einzelne zweier Teile.
Ihr grenzt euch davon ab, Tiere als Therapeuten zu sehen. Welchen Stellenwert haben Tiere für euch?
Tiere sind phantastische Co-Therapeuten. Sie können Angst- und Spannungsminderer sein, Bindungspartner und Motivatoren. Sie ergänzen die meist auf Sprache ausgelegte Psychotherapie durch ihren Schatz an nichtsprachlichen Kommunikationsmöglichkeiten. Letztlich bedeutet dies, dass Tiere die Atmosphäre im „Therapieraum“ derart beeinflussen, dass Vertrauen, Sicherheit, Mitteilungsbedürfnis sowie Motivation und Kooperation positiv beeinflusst werden. Wir sprechen von einer „Vorfeldfunktion“. Die eigentliche Therapie macht jedoch immer noch die Psychotherapeut:innen.
Was geschieht in der Begegnung zwischen Patient und Tier?
Streicheln, Kuscheln, Nähe zulassen: Der Kontakt zu Tieren kann Menschen helfen, Ängste abzubauen und Nähe zuzulassen. Mit einem psychisch kranken Menschen Kontakt aufzunehmen, ist selbst für uns Psychotherapeuten oft nicht so einfach. Wenn während der Sitzung jedoch ein netter Hund um den Klienten herumtollt, ihn aus braunen Knopfaugen anschaut und signalisiert: „Streichle mich“, kann dies die Situation deutlich entspannen.
Doch Tiere können noch viel mehr: Tiere lösen innere Blockaden, da sie sehr gute Resonanzböden für unsere Denk- und Verhaltensmuster sind. Auch schaffen sie einen kreativen Erfahrungsraum, der es erleichtert, neue Erfahrungen zu machen. Dadurch werden gleichsam unsere neuronalen Netzwerke umprogrammiert und unsere individuellen Landkarten im Gehirn verändert. Sie regen also gezielt neuronale Netze an, wodurch Umlernen möglich wird und Gefühle wie innere Haltungen verändert werden.
Es gibt durchaus auch kritische Stimmen zum Thema tiergestützte Therapie. Woher kommen sie und wie begegnet ihr diesen?
Es gehört inzwischen beinahe zum Allgemeinwissen, dass unsere Beziehung zu Tieren uns nicht nur Freude bringt, sondern auch unsere Gesundheit fördert. Tiere scheinen uns auf intuitive Weise positiv zu beeinflussen. Diese faszinierende Wechselwirkung der Mensch-Tier-Beziehung beginnt die Wissenschaft leider erst allmählich zu verstehen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die positive Wirkung von Tieren auf uns Menschen sich sehr wohl wissenschaftlich beschreiben lässt. Tiere brauchen auch gar keinen siebten Sinn. Sie beeinflussen uns über ganz grundlegende neuronale, physiologische und hormonelle Prozesse, die sich in der langen gemeinsamen Evolution herausgebildet haben.
Unsere Schwerpunkte liegen bei Erwachsenen mit Burnout, Depressionen, Ängsten, Zwängen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Oft geht es aber auch um eine persönliche Weiterentwicklung oder das Lösen von aktuellen Denk- und Handlungsblockaden.
Menschen mit Depressionen oder Angststörungen werden sich schwertun, den Weg zu euch zu finden, weil sie in sich sehr gefangen sind. Welchen Rat gebt ihr ihnen oder den Angehörigen?
Also unsere Erfahrung ist, dass Tiere für viele Menschen hochattraktiv sind und dies macht es Menschen oft leichter, in eine Psychotherapie zu kommen. Man geht dann ja nicht zur Psychotherapie, sondern geht zum Beispiel zu den Eseln. Werden Therapeut:innen durch ein Tier unterstützt, dann ist die Aufmerksamkeit des Klienten zunächst auf das Tier fokussiert. Die Person vergisst für einige Zeit die Therapie und den Anlass des Besuches.
Tiere sind daher perfekte Türöffner und soziale Katalysatoren. Sie machen in der Regel schnell Beziehungs- und Kommunikationsangebote. So kann über das Thema Tier, über Streicheln und Spielen mit dem Tier, schneller ein Zugang zu den Klienten erreicht werden.
Mehr zum Thema Tiergestützte Therapie
Das Buch „Die Heilkraft der Tiere“ von Bettina Mutschler und Dr. Rainer Wohlfarth erschien 2020 beim btb Verlag und ist hier erhältlich.
ISBN: 978-3-442-75842-5
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