Frust, Wut, Ärger, Trauer, Einsamkeit. Wohin nur mit all den Gefühlen? Gerade jetzt ist das Leben nicht einfach für uns. Sich mal eben auf nen Kaffee in der Stadt treffen geht ebenso wenig, wie ein Wochenendtrip mit der besten Freundin, dem besten Freund. Mehr denn je sind wir durch diese Einschränkungen in der Coronazeit auf uns selbst zurückgeworfen. Daraus kann aber auch Gutes entstehen. Eine Begegnung mit dir selbst kann dir ganz neue Chancen, neue Sichtweisen offenbaren und hier ist das Schreiben, das als Therapeutisches Schreiben gar einen Therapieansatz darstellt, eine richtig gute Möglichkeit.
Schreiben kann helfen, psychische und physische Krankheiten zu überwinden und Leiden zu lindern. Therapeutisches Schreiben und dessen Wirkung ist mittlerweile gut erforscht und durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt, wie es auf der Seite www.schreibenwirkt.de heißt.
Doch so tief muss man zu Beginn gar nicht steigen. Fang doch einfach mal nur mit dem Schreiben eines Tagebuchs an.
"Liebes Tagebuch..."
„Heute ist der 25. Februar 2021. Es ist sechs Uhr morgens. Eigentlich noch Zeit zum Schlafen. Kurzarbeit heißt, ich muss gar nicht aufstehen, wenn ich nicht will. Aber mein Frühstück ist mir heilig. Überhaupt ist mir vieles heilig in dieser Coronazeit. Ein Jahr ist es her. Keine Seminare mehr, kein Kino, kein Besuch im Altersheim. Was Oma wohl macht? Telefoniere viel mit ihr. Das Alleinsein ist bestimmt schwer. Viele sind allein. Was mach ich heute mit dem Tag? …“
Schreib das Tagebuch nicht für andere – schreib für dich selbst
So könnte dein eigener Eintrag im Tagebuch aussehen. Gerade jetzt, wo nichts mehr so ist, wie es war, ist es sehr befreiend, sich jemandem anzuvertrauen. Ein leeres Buch kann zu deinem Vertrauten werden. Du darfst einfach drauf los schreiben, nur für dich. Das bewirkt, dass dein Gedankenfluss freier wird, dein Inneres aufgeräumter. Im Schreibfluss können wertvolle Impulse und Ideen entstehen. Das wichtigste dabei: erwarte nichts, lass den Stift einfach übers Blatt gleiten.
Weiter im Tagebuch:
„Erstmal aufstehen. Und dann? Na ja, dann läufst du zu deinem Lieblingsbäcker und holst dir was Gutes. Ne, keine Lust. Okay, dann Toastbrot. Aber laufen könnt ich wirklich ein bisschen. Es scheint sonnig zu sein. Hoffentlich ist dieser diesige Saharastaub weg. Ach ja, bald kann ich wieder draußen sitzen. Balkon mit Aussicht. Im Augenblick ist da noch ein wahrer Gestrüpp-Garten, Reste der Weihnachtsdeko, doch die Vögel finden‘s toll. Ich auch. Also aufstehen, Krönchen richten, weitermachen und ich glaube, heute besuche ich meine Freundin. Ich nehme ein kleines Picknick mit und verabrede mich mit ihr in ihrem Garten. Mit Wintermantel und auf Abstand. Ihr altes Häuschen ist toll und der Garten erst – super Idee! …“
Einfach im Tagebuch drauf los schreiben
Du siehst, es ist okay, einfach nur drauflos zu schreiben. Es muss nichts Weltbewegendes oder poetisch Wertvolles dabei herauskommen. Spontanes Schreiben löst, kanalisiert und kann Struktur geben für einen Tag, der dir gehört, der nicht fremdbestimmt ist und daraus kann eine andere, neue Sichtweise entstehen. Über den Tellerrand schauen, gucken, was sonst noch möglich ist, etwas Neues ausprobieren oder Ideen sammeln, Pläne schmieden und dabei dich selbst in den Fokus stellen. Eine ganz neue Erfahrung, oder? Für dich selbst zu schreiben, für dich selbst zu leben muss nichts mit Egoismus zu tun haben. Eher mit dem Sammeln von neuer Kraft, die du ab sofort nicht mehr in der Bestätigung andere suchen musst.
Dir selbst genügen lernen
Wie abhängig geworden sind manche von einem kleinen, aus der Faust herausgereckten Daumen, der signalisiert: „Gut so!“ Oder dem über beide Backen grinsenden Smiley, der im besten Fall noch ein rotes Herzchen ausspuckt. Schöne Gesten, aber du brauchst sie nicht, um glücklicher zu sein, wenn du dir selbst wieder zu genügen lernst. Dafür kann eine solche gesellschaftliche Auszeit von Nutzen sein und das Schreiben ein guter Kanal.
Höre dir durch das Tagebuch selber zu
Viele Menschen äußern sich in einem Blog. Ebenfalls eine gute Methode, um in sich etwas zu lösen und nach außen zu tragen. Ein Blog aber lebt von Klicks, von Zustimmung und der erwarteten Resonanz von außen. Es ist ein anderes Schreiben, ein Mitteilen, an das Erwartungen geknüpft sind und das im Eilschritt an dir vorbeisaust. Werden Erwartungen nicht erfüllt, macht es dich traurig und deprimiert. Verzichte auf die Meinung derer, die dich gar nicht kennen und somit auch nicht über dich urteilen können.
Sei dir selbst deine beste Freundin und Zuhörerin. So kommst du dir näher, wirst stärker. Ganze Selbstfindungsbücher sind voll von Titel wie „Werde du dein bester Freund“ oder „Heirate dich selbst“ oder „Werde, wer du wirklich bist“. Alles legitim, denn alles zielt darauf ab, dass du in diesem Leben glücklich sein sollst.
Der Tipp, dir selbst im Schreiben zu begegnen, ist wohl der einfachste. Und warum soll das einfache nicht auch gut sein?
Also: kauf, oder bestell dir ein schönes Notizbuch. Durchaus kann es auch ein leeres Schulheft sein, das niemand mehr braucht. Wichtig ist, mach es zu deinem ureigenen Gedankenbuch. Schreibe einfach drauf los. Das kann am Abend sein, bevor du einschläfst oder direkt nach dem Aufwachen. Lass deine Gedanken fließen, selbst wenn du ohne Punkt und Komma schreibst, kein Problem. Was sich einstellen wird, ist ein angenehm befreiendes Gefühl.
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